Was steckt tatsächlich hinter Bitcoin & Co.?

„Ich werde vermutlich meinen Job kündigen und nur noch mit Kryptos handeln“, verkündete mir ein Taxifahrer noch vor wenigen Wochen auf dem Weg zum Flughafen. Spannend, dachte ich mir, das erinnert mich am das Jahr 2000 und den damaligen Internet-Hype. Kann es tatsächlich sein, dass der Taxifahrer- bzw. Bild-Zeitung-Indikator* immer noch funktioniert?

* Im März 2000 titelte die deutsche BILD-Zeitung mit der Schlagzeile „Neuer Markt: Jetzt werden wir alle Millionäre!!!“ und motivierte damit die letzten Willigen zum Einstieg in den Aktienmarkt. Was folgte, ist bekannt. Das Platzen der Internet-Blase. Seither werden die Titelseiten der meistgekauften Boulevard-Zeitungen genau analysiert, um Wendepunkte an der Börse ausfindig zu machen.

In der Tat. Als die Bild-Zeitung mit einer Schlagzeile zum Bitcoin-Hype titelte, hatten Bitcoins ihren bisherigen Höchststand. Historisch betrachtet sind sowohl der Taxifahrer- als auch der BILD-Zeitung-Indikator recht zuverlässig beim Vorhersagen von Blasen, die unmittelbar vor dem Platzen stehen. Als Wirtschaftsökonom verfolge ich die Entwicklungen an den Kapitalmärkten schon seit Jahrzehnten, und entdecke dabei immer wieder interessante Zusammenhänge.

Was steckt tatsächlich hinter dem Hype der Krypto-Währungen? Sind Krypto-Währungen tatsächlich Devisen? Diese und ähnliche Fragen stellen mir sehr viele Kunden und Zuhörer nach meinen Vorträgen.

Wenn die Nachfrage größer ist als die Verfügbarkeit der betroffenen Ware, dann wird der Preis in der Regel steigen. Die Grundlage für Transaktionen liefert die Blockchain-Technologie. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine „Programmiersprache“. Diese Technologie ist die Basis für sichere, transparente und nachvollziehbare Transaktionen. Diese Eigenschaften, die von uns allen an funktionierende Zahlungssysteme gestellt werden, sind vermutlich der Grund dafür, dass der Blockchain-Technologie eine große Zukunft vorausgesagt wird.

Das Besondere an dieser neuen Technologie ist, dass die Transaktion nicht auf einem Computer durchgeführt bzw. gespeichert wird, sondern auf vielen, weltweit vernetzten Computern, der so genannten Cloud.

Erzeugt werden Bitcoins von so genannten Minern. Als Lohn für das Lösen komplexer Rechenoperationen bekommen Miner – einfach gesagt sind das Server-Farmen – nicht klassisches Geld, sondern Bitcoins. Diese können anschließend in reales Geld umgetauscht werden. Die maximale Anzahl an Bitcoins ist jedoch mit 21 Millionen limitiert. Je mehr Bitcoins bereits erzeugt sind, des komplexer werden die Rechenoperationen, die zum Erzeugen eines neuen Bitcoins gelöst werden müssen. Die Folge ist, dass für das Minen neuer Bitcoins immer mehr Rechenleistung, sprich Energie, notwendig ist. Und so wird das Erzeugen von Bitcoins immer teurer. Damit sich dies für den Miner finanziell rechnet, muss der Bitcoin Preis entsprechend hoch sein bzw. weiter steigen.

Wir sehen also, dass es sich bei Krypto-Währungen im Grunde um eine rein technische Lösung handelt. Weil aber diese technische Lösung wesentliche Eigenschaften mit sich bringt, die auch an Zahlungsmittel gestellt werden, ist die Idee entstanden, diese Technik als Tauschmittel zu verwenden.

Bitcoins sind keine Währung

Denn Bitcoins haben nur so lange einen Wert wie es Käufer gibt, die daran glauben. Glaubt niemand mehr an dem Wert von Krypto-Währungen oder werden sie einfach nicht mehr als zeitgemäß betrachtet, dann haben sie auch keinen Wert mehr. Dieses Faktum unterscheidet Bitcoins & Co. von zum Beispiel Gold oder Aktien. Denn diese haben einen inneren Wert, und zwar auch dann, wenn sie gerade nicht besonders gefragt sind und sie keine kaufen will.

Die Cloud Community hat fälschlicherweise begonnen Bitcoins als Währung zu bezeichnen, und die Medien haben diesen Sprachgebrauch einfach übernommen. Die Kurse von Krypto-Währungen wie Bitcoin sind nicht gestiegen, weil die technische Lösung bereits so sehr ausgereift ist, sondern weil die Anwender diese unbedingt aus rein spekulativen Gründen haben wollten. Anders als rein spekulativ getrieben ist der Hype rund um Krypto-Währungen schwer erklärbar.

Diese Betrachtung hilft uns zu verstehen, dass die oft verlangte Regulierung der technischen Lösungen seitens Nationalbanken und Aufsichtsbehörden ins Leere läuft, weil diese für rein technische Lösungen nicht zuständig sind. Es wird ja zum Beispiel auch die Programmierung von Apps nicht durch die Finanzmarktaufsicht reguliert.

Auf Basis der Blockchain-Technologie wird eine Problemlösung programmiert. Das Ergebnis bekommt einen klangvollen Namen. Bei Smartphones sind es Apps, in der Blockchain-Technologie sind es Coins oder Tokens. Je nachdem für welche Probleme die Lösungen programmiert werden, heißen diese Ergebnisse dann Bitcoin, Ether oder Ripple. Das sind jene Namen, die heute fälschlicherweise „neue Währungen“ bezeichnen.

Handel kann grundsätzlich mit den unterschiedlichsten Waren betrieben werden. Deswegen ist aber die Handelsware noch keine Währung. Die Gemeinschaft kann grundsätzlich jede Ware als Zahlungsmittel akzeptieren. Eine Freundesrunde könnte sich darauf einigen, dass sie grüne Socken, die als Lösung für kalte Füße existieren, als Zahlungsmittel akzeptiert.

Wir hören, dass es mittlerweile weit über 1.000 unterschiedliche Krypto-Währungen gibt, und diese Zahl weiter zunimmt. Denn mit jeder neuen Lösung für eine weitere Problemstellung entsteht in der Blockchain ein neuer Token. Es heißt also nichts anderes, als dass es tausende technische Lösungen gibt, und laufend werden neue programmiert. Denn immer mehr Unternehmen sehen diese technische Entwicklung als Lösung der täglichen Herausforderungen.

Sind Banken von dieser neuen Technologie bedroht?

Ein Geschäftszweig der Finanzindustrie ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, also Geld von A nach B zu transferieren. Wir haben uns daran gewöhnt, dass dies drei oder vier Tage gedauert hat. Diese zeitliche Verzögerung ist speziell für Banken von Vorteil, weil sie mit dem Geld in dieser Zeit gearbeitet haben. Technisch sind Zahlungen mit der Blockchain außerhalb der Banken möglich, und zwar innerhalb von Minuten. Das nimmt natürlich der Finanzwelt Geschäft weg. Ob diese dafür andere Geschäftsfelder findet, ist die Frage. Die alten Strukturen verändern sich auf jeden Fall.

Die neue Technologie wird mittlerweile auch von der Finanzindustrie verwendet. Solche Innovationen sollen dazu führen, dass eigene Strukturen verbessert werden und Kunden zumindest nicht verloren gehen, wenn die Deckungsbeiträge schon sinken. Auch viele andere Industriezweige holen sich die Blockchain-Technologie für unterschiedliche Problemstellungen. So hat Kodak vor wenigen Tagen die Blockchain als Lösung für seine aktuellen Herausforderungen präsentiert. Aber auch Unternehmen in der Getränkeerzeugung, in der Medizintechnik, Gemeinden für die Grundbuch-Dokumentation und globale Transportunternehmen setzen vermehrt auf die Blockchain-Technologie.

Die Ankündigung von Kodak, die Blockchain verwenden zu wollen, zeigt sehr einfach für welche Probleme diese Technik ideale Lösung liefern kann. Fotografen kämpfen um die Urheberrechte und um die Einnahmen daraus. Eine Datenbank auf Blockchain Basis aufgebaut, macht alles transparent und sicher. Wenn jemand aus der Datenbank Bilder verwendet, dann sind diese Bewegungen klar erkennbar und Abrechnungen können automatisiert erstellt werden.

Zusammenfassung

Blockchain ist eine Technologie, die uns bleibt, noch sehr viele, heute noch völlig unbekannte Lösungen liefern und damit sehr viel verändern wird. Ähnlich wie Apples iPhone die Tür zu Millionen neu entwickelten Applikationen erst geöffnet hat.

Coins werden nach dem Hype auf „normale“ Preisebenen zurückfallen und nur jene werden bleiben, die aktuelle Problemstellungen lösen können. Viele neue Coins werden entstehen, die sich auch mit Zahlungsströmen beschäftigen. Die Schnittstellen zum „normalen“, FIAT Geldsystem werden klar reguliert werden.

Genau das wird immer wichtiger. Denn die Marktbewegungen der Krypto-Währungen haben immer mehr Einfluss auf den sonstigen Kapitalmarkt. Am 5. Februar 2018 erlitt der Dow Jones den größten Tagesverlust seiner Geschichte (in Punkten gemessen). Auffällig ist, dass es diesmal keine „Safe Harbours“ gab. Es fiel einfach alles. Auffällig ist aber außerdem ein zeitlicher Zusammenhang mit Bewegungen am Krypto-Währungsmarkt.

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass starke Bewegungen am Markt für Krypto-Währungen mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Wochen auf den Aktienmarkt durchschlagen. So schlug der exponentielle Anstieg beim Bitcoin im November/Dezember 2017 ab Januar 2018 auf die US-Aktienbörsen durch, während der Bitcoin-Kurs (zunächst moderat) korrigierte. Wurden hier Gewinne aus Bitcoins versilbert und direkt in Aktien investiert?

Das umgekehrte Bild zeigte sich Ende Januar 2018. Da korrigierten die Kryptos schon eine Weile. Doch schließlich lief die Korrektur aus dem Ruder. Bis schließlich bei den Kryptos eine regelrechte Verkaufspanik einsetzte, als die Meldung kam, dass China sämtliche Webseiten mit Krypto-Handel sperren will, und dass weitere Zentralbanken Einschränkungen planen.

Genau in diesem Moment wurde auch der Aktienmarkt in die Tiefe gerissen. Die Volatilität stieg an und neue „moderne“ Absicherungsinstrumente gingen in Flammen auf. Vermutlich mussten hier offene Krypto-Positionen durch den Verkauf anderer Assets gestopft werden.

Die heute spekulativ gepuschten Krypto-Lösungen sind somit weder eine „Währung“ noch eine Anlageform im herkömmlichen Sinn! Eine gute Seite hat die Entwicklung allerdings: die meisten Anlageklassen gibt es aktuell zu vernünftigeren Preisen, wobei ich glaube, dass die Volatilität nun zurück gekommen ist, um zu bleiben.